Historie

"DerElefant!"
vom Kolonial-Denkmal zum Ort für Vielfalt, Toleranz und Kreativität in Bremen
von Dr. Rainer Bessling


Die meisten Menschen in Bremen kennen DEN Elefanten.
Hinter dem Bahnhof, neben der Stadthalle, gegenüber vom Hermann-Böse-Gymnasium steht er in einem kleinen Park, ist Treffpunkt der Schüler, der Obdachlosen, der Punks, der Verliebten oder der zur Osterwiese wie zum Freimarkt Verabredeten.
Bei Wind und Wetter steht er da, steht erstarrt zu einem Zeichen, aber wofür?

Über das gewaltige Backsteinmonument ist das Buch „DerElefant!“ erschienen. Dieses Buch gibt eine erste Auskunft über die Geschichte des 77-jährigen Dickhäuters, der als Zeichen mit wechselnder Bedeutung steht. 1932 bei seiner Einweihung war der Elefant Reichskolonial-Ehrenmal. Am 13. Oktober 1987 wurde er in ein „Anti-Kolonial-Denk-Mal“ umgewidmet und im Jahr 2009 zum Zeichen und Ort für Vielfalt, Toleranz und Kreativität.

Über diesen Bedeutungswandel berichtet dieses Buch. Es basiert auf dem ungewöhnlichen Konzept, Brücken zu schlagen zwischen Kunst und Wissenschaft, zwischen Vergangenheit und Zukunft, zwischen Gefühl und Information, zwischen Bild und Wort.

Der in Bremen lebende Schriftsteller Rudolph Bauer eröffnet den Diskurs. Er sieht den Elefanten in seiner Geschichte als politisches Zeichen: „bei der einweihung - des reichskolonialehrendenkmals - hielt general von lettow-vorbeck - in der uniform der kaiserlichen schutztruppe - eine rede - ein großes volk - sagte er - muss kolonien haben - um leben zu können - ein großes volk - sagte er - treibt kolonialpolitik - um seiner selbst willen (...) kolonien sind - sagte er - ausdruck der kraft - einer nation - ohne kolonien - sagte er - muss ein blühendes - volk ersticken“ (Seite 5)

Die Bremer Literatin Inge Buck antwortet, indem sie den Elefanten für sich selber sprechen lässt: „Ich stehe im Regen, halte die Augen bedeckt, den Rüssel gesenkt, die Ohren angelegt“... (Seite 6)

Der Elefant besinnt sich. In Asien gilt er als Symbol der Macht, in Afrika als Symbol der Kraft. Seine Größe ließ ihn für Tapferkeit stehen. In Form eines Denkmals stand er als Sinnbild für die Stärke eines Volkes, hier in Bremen war die Stärke des Deutschen Volkes gemeint, die in Erinnerung gehalten werden sollte.

Deutschland tritt erst spät auf die weltpolitische Bühne. Die Großmächte England, Frankreich und Russland haben ihre Kolonien schon abgesteckt. Doch die deutsche Reichseinigkeit wäre nicht komplett, so die Stimmung in den 1880er Jahren, würde es dem jungen Staat nicht auch gelingen, Raum und neue Märkte außerhalb des eng gewordenen Europa zu erobern. Es begann mit Deutsch-Südwestafrika (1884-1918), dann folgten Togoland (1884–1919), Kamerun (1884–1919), Deutsch-Ostafrika (1885–1919) u.a. (Seite 40)

Der Bremer Kaufmann Franz Adolf Eduard Lüderitz (1834-1886) eröffnete die deutsche Kolonial-Politik, indem er in Südwestafrika (heutiges Namibia) Ländereien erwarb. Das Land war "herrenlos", und von den Eingeborenen schien vorerst keine Gefahr auszugehen. Die Wüste Namib im Küstenhinterland hatte andere Interessenten offenbar abgeschreckt, lediglich die Walfischbay besetzen die Briten strategisch als Flottenstützpunkt. Was die Anziehungskraft der Region erhöhte, war das Gerücht, auch hier sei, wie im benachbarten Südafrika, Edelmetall zu finden.
Heinrich Vogelsang, kaiserlich deutscher Generalkonsul, fährt im Auftrag von Lüderitz nach Südwestafrika und erwirbt von Stammesfürsten Land. Das Geschäft fällt umso erfolgreicher aus, als die Vertragspartner des Deutschen nicht mächtig, die englische Meile nicht von dem längeren deutschen Maß zu unterscheiden wussten. Nach diesem Kaufvertrag vom 1. Mai 1883 stellte Lüderitz am 23. April des Folgejahres beim Auswärtigen Amt den Antrag auf Schutz. „Da ich documentarisch nachgewiesen habe, dass ich rechtmäßiger Besitzer des an der Südwestküste Africas gelegenen Gebietes (...) geworden bin, (...) so bitte ich nunmehr ganz ergebenst, besagtes Gebiet als mein wohlerworbenes Besitztum offiziell von Reichswegen anerkennen und unter Reichsschutz stellen zu wollen. (Seite 34)

Diesem Bedürfnis nach Schutz der privatwirtschaftlichen Interessen von Lüderitz kam der Deutsche Kaiser durch einen cleveren Vertrag am 28. Oktober 1884 nach, der so formuliert ist, das der Herrscher des Küstengebietes seinerseits um Schutz bittet: „Der Kapitän Joseph Fredericks von Bethanien bittet seine Majestät den deutschen Kaiser, über das von ihm beherrschte Gebiet die Schutzherrlichkeit übernehmen zu wollen. Seine Majestät der deutsche Kaiser genehmigt diesen Antrag und sichert dem Kapitän seinen Allerhöchsten Schutz zu. Als äußeres Zeichen dieses Schutzverhältnisses wird die deutsche Flagge gehisst. (Seite 37) Dieser „Freundschaftsvertrag“ erfasst nicht nur die Interessen von Lüderitz, sondern reicht sehr viel weiter. Es heißt dort in Artikel 9 “Der Kapitän sichert allen deutschen Staatsangehörigen und Schutzgenossen für den Umfang des von ihm beherrschten Gebietes den vollständigen Schutz der Personen und Eigentums zu, sowie das Recht und die Freiheit, jeden Teil seines Reiches zu betreten, daselbst zu reisen, Handel und Gewerbe zu treiben, Ländereien und Grundstücke zu kaufen oder zu mieten, dieselben zu bebauen und sonst zu benutzen, sowie Baulichkeiten auf denselben zu errichten." (Seite 38)

Auf dieser Grundlage folgten deutsche Siedler und mit ihnen Händler und Arbeiter, deren Streitigkeiten mit den afrikanischen Völkern gemäß Vertrag nach „Entscheidung der kaiserlich deutschen Regierung“ geregelt wurden.
Es entstanden deutsche Farmen und Minengesellschaften. Eisenbahnlinien wurden angelegt. Zwangsläufig kam es zu Konflikten, so dass 1890 die erste Schutztruppeneinheit mit 20 Soldaten unter Hauptmann Hugo von Francois ihren Dienst aufnahm. Sie sah sich in einem Gebiet, das etwa die eineinhalbfache Grüße des Deutschen Reichs hatte, 81.000 Herero, 12.000 Nama, 29.000 Damara und 60.000 Ovambo gegenüber. Mißverständnisse und Streitigkeiten eskalierten und weiteten sich in kriegerische Dimensionen aus.
Ein Augenzeugenbericht in Form eines Briefes der 26-jährigen Frau und Mutter Elisabeth Kuhlmann schildert eindrucksvoll das Leid und Gottvertrauen, das am 4. Juli 1904 im Ort Otjimbingue zu Papier gebracht wurde: „Oh, dieser unglueckliche Krieg! Welches Unglueck hat er ueber unser armes Land gebracht. (...) Es gibt nur noch wenige Familien in diesem Land, die von diesem Unglueck verschont worden sind, und doch haben wir sehr viel Ursache dem Herrn zu danken, dass er uns nicht nur das Leben geschenkt, sondern auch so wunderbare und zugleich herrliche Wege gefuerht, dass wir bis an unser Lebensende ihm dafuer Lob und Dank darbringen muessen.“ (Seite 41)

Am 2. Oktober des gleichen Jahres ist der Höhepunkt der Konfrontation erreicht. In seinem „Vernichtungsbefehl“ leitet der Infanteriegeneral Adrian Dietrich Lothar von Trotha (18458-1920) den Völkermord an den Einheimischen ein, indem er als „der große General der deutschen Soldaten“ erklärt: „Innerhalb der deutschen Grenzen wird jeder Herero mit und ohne Gewehr, mit oder ohne Vieh erschossen, ich nehme keine Weiber oder Kinder mehr auf, treibe sie zu ihrem Volk zurück oder lasse auf sie schießen.“ (Seite 44)

Nahe dem Waterberg kommt es zur entscheidenden Schlacht von Ohamakiri bei der die Völker der Herero, Nama und Damara in der Omaheke verdursten. In der Folgezeit werden die Überlebenden in Lagern kaserniert, viele von ihnen sterben elendig.

1915 endet die deutsche Vormacht in Südwestafrika. Inzwischen leben 12.000 Deutsche im Land (1902: 2.600). Die Schutztruppen müssen sich den Einheiten der Südafrikanischen Union, die unter dem Druck Englands operieren, geschlagen geben. Mit dem Versailler Vertrag vom 28.6.1919 verliert das Deutsche Reich auch völkerrechtlich die Kolonie. Das Völkerbundsmandat für Deutsch-Südwestafrika wird an die Südafrikanische Union übertragen. Die deutschen Farmer und deutsche Firmen dürfen bleiben, darunter auch zahlreiche Niederlassungen bremischer Unternehmen.

Vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges sind circa 30 Bremische Firmen mit über 200 Niederlassungen allein in Südwestafrika tätig. Um öffentlich zu dokumentieren, dass sie sich mit dem politischen status quo nicht abfinden will, stellt sich die Bremer Wirtschaft hinter ein Ehrenmal-Projekt der Deutschen Kolonialgesellschaft.
Der Entwurf der Plastik stammt von dem Berliner Bildhauer Max Adolf Friedrich (Fritz) Behn (1878-1970), bereits 1913/14 eingereicht für einen Wettbewerb zur Errichtung eines Kolonialkriegerdenkmals in Berlin. Der Ausbruch des Ersten Weltkriegs durchkreuzt das Vorhaben in der Reichshauptstadt. Von dem Bremer Architekten Otto Blendermann (1879-1940) ausgeführt, kommt Behns Entwurf erst 1932 in Bremen zu Ausführung.

Der Einweihungsakt ist in der Ausgabe 187 der Bremer Nachrichten vom 7. Juli 1932 auf einer Seite festgehalten. Es heißt dort: „Das Deutsche Kolonial-Ehrenmal in Bremen wurde Mittwoch mittag in einer ernsten Feierstunde seiner Bestimmung übergeben. (...) Hinter dem Denkmal wehte die Fahne der deutschen Republik, flankiert von den alten Reichsfarben, für die die Kolonialkrieger kämpften und starben. Vor dem Denkmal die Fahnen der Reedereien, die die deutsche Handelsflagge nach Afrika führten.“ (Seite 44)

Der Vorsitzende der Abteilung Bremen der Deutschen Kolonialgesellschaft, Eduard Achelis, betrat die Rednertribüne und machte deutlich, dass es nicht nur um einen Gedenkort der deutschen Gefallenen in den deutschen Kolonien ging, sondern mehr um ein Zeichen des Anspruchs: „Fort mit dem Geschehen der Vergangenheit, mit Lüge und Verleumdung; wir Deutsche verlangen heute unser Recht! Das Recht der Gleichstellung mit allen Nationen der Erde. Die Anerkennung notwendiger Lebensbedingungen. Vordringlich aber bleibt, das sei der Ausklang dieser Feierstunde, unsere erste unabweisbare Forderung, besiegelt mit dem Blute und durch den Heldentod unserer Schutztruppen-Krieger, bestehen: Unverzügliche Rückgabe unseres eigenen Landes, das ist ehrlich erworbenes und ehrlich verwaltetes Gut, von unseren Vätern uns hinterlassenes teures Erbe: die Deutschen Kolonien.“ (Seite 45)

Auch der Bremer Bürgermeister Dr. Spitta beschwor: “Möge es das Gedächtnis an die deutschen Schutzgebiete wach halten, an das, was Deutsche dort Gutes und Wertvolles geschaffen haben. Möge es auch ein Symbol sein für die unverjährten und unverjährbaren Rechte Deutschlands auf gleichberechtigte koloniale Betätigung in der Welt. (Seite 46)

Abschließend hielt General von Lettow-Vorbeck in der Uniform der Kaiserlichen Schutztruppe die Rede auf die Gefallenen: „Auch die Gefallenen blickten nach vorn, in die Zukunft. Sie wollten der Heimat Kolonien werben und halten. Sie wußten, daß die Heimat Kolonien braucht. Ein großes Volk muss Kolonien haben, um leben zu können.“ (Seite 47)

Das Kolonialdenkmal war mit Zeichen, Bildnissen und der Inschrift „Unseren Kolonien“ ausgestattet, die erst nach dem Zweiten Weltkrieg abgenommen wurden. Dann kehrte Ruhe um das Monument ein. Es war seiner Zeichen und damit seines Sinnes entledigt und war nichts mehr als eine, aus Oldenburger Klinkern gemauerte, prägnante Elefantenfigur.

Im Jahr 1953 nutzte die gegenüberliegende Oberschule an der Hermann-Böse-Strasse das stilisierte Elefanten-Motiv als blaues Logo auf weissem Grund als Wappentier und zierte damit die erste Ausgabe der Schulzeitung im Jahr 1955.

Das Monument wurde erst am 19. September 1989 aus seinem Schlaf erweckt, als die Bremische Bürgerschaft sich zur 1986 in Den Haag gestarteten, europäischen Aktion „Städte gegen Apartheid“ bekannte und „die laufende Renovierung und Umwidmung des Kolonialdenkmals (der Elefant an der Bürgerweide) zu einem Antikolonialdenkmal und die bereits ausgesprochene Einladung an Präsident Sam Nujoma zur Einweihung im Frühjahr 1990“ ausdrücklich begrüsste.

Nachdem am 20. März 1990 im Stadion von Windhoek/Namibia die Fahne Südafrikas eingezogen und die Republik Namibia ausgerufen worden war, eröffnete der damalige Bürgermeister Klaus Wedemeier am 18. Mai 1990 das große „Namibia-Freiheitsfest“ am Elefanten.

Um den Prozess der Versöhnung zwischen den Völkern Namibias und Deutschland an dem Ort zu dokumentieren, von dem die deutsche Kolonialbewegung ausging, wurden zwei bronzene Boden-Tafeln rechts am Eingang zur Krypta des Elefanten angebracht. Am 18. Mai 1990 wurden diese Tafeln enthüllt. Sie erinnern noch heute an die Geschichte des Monuments und halten die Umwidmung mit den Worten fest: „Dieses Denkmal ist ein Symbol für die Verantwortung, die uns aus der Geschichte erwächst.“ (Seite 50)

Am 21. Juni 1996 folgte eine weitere Boden-Tafel links am Eingang. Nach der Eröffnung der Ausstellung "20 Jahre Zusammenarbeit Bremen-Namibia" im Bremer Staatsarchiv, gedachten Dr. Sam Nujoma, Präsident der Republik Namibia und Dr. Henning Scherf, Präsident des Senats der Freien Hansestadt Bremen der Opfer der deutschen Kolonialherrschaft in Namibia. In seiner Rede am 20.6.1996 wandte sich Henning Scherf an SE Sam Nujoma: „Nach dem Albtraum Ihres Volkes während der deutschen Kolonialherrschaft, an deren Beginn Bremer Kaufleute standen, konnten wir gemeinsam daran arbeiten, Lehren aus dieser Vergangenheit zu ziehen und gemeinsam für die Zukunft zu arbeiten. (Seite 51)

Initiativen zur Versöhnung zwischen den Völkern wurden auch von der Kirche getragen. So trafen sich Präses Barbara Rinke anlässlich der Namibia-Synode der Evangelischen Kirche in Magdeburg am 11. November 2004 mit Ombara Alphons K. Maharero und seiner Delegation zu einer „Geste des Vertrauens“. Dabei sollte man Vertrauen als eine ausgestreckte Hand verstehen, „die wir ergreifen wollen mit der Bitte um Vergebung durch Gott und die Menschen für alles Unrecht, das von Deutschen an den afrikanischen Völkern begangen wurde.“ (Seite 53)

Höhepunkt der Versöhnungsinitiativen war die Rede der Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Heidemarie Wieczorek-Zeul am 14. August 2004 bei ihrem Besuch der Gedenkfeierlichkeiten zur Niederschlagung des Herero-Aufstands, dem 100. Jahrestag der Schlacht am Waterberg und zur gleichzeitigen Einweihung des Kulturzentrums von Okakarara. Erstmals wurde in dieser offiziellen Rede Schuld mit den Worten eingestanden: „Wir Deutschen bekennen uns zu unserer historisch-politischen, moralisch-ethischen Verantwortung und zu der Schuld, die Deutsche damals auf sich geladen haben. Ich bitte Sie im Sinne des gemeinsamen „Vater unser“ um Vergebung unserer Schuld. Ohne bewusste Erinnerung, ohne tiefe Trauer kann es keine Versöhnung geben. Versöhnung braucht Erinnerung.“ (Seite 56)

Aus den Fehlern der Vergangenheit Lehren zu ziehen und nach Möglichkeiten zu suchen, wie Versöhnung, Verständnis und Austausch konkret umsetzbar sind, versuchte eine der ältesten Schulen der Hansestadt Bremen. Zum 100-jährigen Jubiläum des Hermann-Böse-Gymnasiums entwickelte der Bremer Medienkünstler Michael Weisser im Auftrag der Schulleitung eine „kreative Offensive“ zu der auch die Thematisierung des Schullogos „Der Elefant“ und sein Bezug zum gegenüberliegenden Monument gehörten.

Für sein Projekt „Bremen<meets>Namibia - Dialog der Kulturen“ gewann Weisser den Präsidenten des Bremer Senats Dr. Henning Scherf als Schirmherrn und entwickelte mit der Schule eine Absichtserklärung, in der es heißt: „Die historische Verbindung von Bremen und Namibia geht bis in das Jahr 1883 zurück; sie fand einen tragischen Höhepunkt in der Schlacht am Waterberg (1904) und ist verbunden mit einem dunklen Kapitel der deutschen und der Bremer Geschichte, dem Kolonialismus.
Das Gymnasium an der Hermann-Böse-Straße in Bremen möchte dieses Thema aufgreifen und deutlich machen, dass koloniales Unrecht ein Unrecht war und bleibt. Das HBG möchte der Opfer des Kolonialismus gedenken und Solidarität mit all denen zum Ausdruck bringen, die immer noch gegen heutige Formen des Kolonialismus kämpfen.“ (Seite 59)

Weisser sammelte im Februar/März 2005 verschiedene Eindrücke in Bild, Ton und Text in Namibia. Für das HBG suchte er den Kontakt zu einer Schule in Windhoek, um Voraussetzungen für einen Austausch zu schaffen. Aus dem gewonnene Material baute er ein umfassendes Schularchiv auf und entwickelte ein Kunstprojekt D.U.R.S.T. (das erst 2009 als Installation in der Krypta des Elefanten realisiert wurde).

Trotz aller Versöhnungsinitiativen bleiben die Ansprüche von Herero-Führern auf Entschädigung für die Gräueltaten der Kolonialherren ungehört. Deutsche Politiker reagieren abschlägig, und auch eine Klage gegen Privatunternehmen wie die Deutsche Bank und die Deutsche Afrika-Linien GmbH, die angeblich in die Verbrechen verwickelt waren, ist erfolglos. Der Gerichtshof für den Herero-Fall befindet: "...wenngleich wir den Ernst der Verbrechen, wie von den Klägern beschrieben, anerkennen, würde das Stattgeben einer solchen Klage zumindest theoretisch die Tür für Forderungen unzähliger betroffener Gruppen wegen Menschenrechtsverletzungen öffnen, die irgendwo in der Welt geschehen sind, zu jedem Zeitpunkt der umfangreichen, geschriebenen Geschichte der Menschheit". (Seite 63)

Unter dem Titel „Deutsch Südwestafrika 1904 – Völkermord verjährt nicht“ erinnert der Bremer Jurist Prof. Dr. Manfred O. Hinz: „Der Widerruf des Vernichtungsbefehls aufgrund kaiserlicher Anweisung vom 9. Dezember 1904 bewahrte die Herero nicht davor, ihr Land zu verlieren. Ein kaiserliches Dekret hatte die Enteignung von Vieh und Land verfügt...“ (Seite 61) Hinz verweist auf den Umstand, dass es deutliche Stimmen gibt, „die Ansprüche der Herero auf Entschädigung anzuerkennen“. (Seite 63)

Im Frühjahr 2008 entstand eine neue Idee, das Bremer Monument Elefant als einen „Ort der Erinnerung und Versöhnung“ zu beleben. Der Kommunalpolitiker Ralph Saxe und der Künstler Michael Weisser entwickelten die Vorstellung eines Vereins als aktiven Träger für kulturelle Initiativen am Elefanten und in der unter ihm liegenden, zwölfeckigen Krypta. Die Initiative „DerElefant!“ wurde am 28. Mai 2008 als „gemeinnütziger Verein für Vielfalt, Toleranz und Kreativität“ gegründet. (Seite 69)

Bereits zu Beginn der Diskussion einer kulturellen Nutzung des Elefanten, wurde das Landesamt für Denkmalpflege Bremen aufmerksam und nahm das Monument gemäß Denkmalschutzgesetz am 3. April 2008 als Kulturdenkmal auf.

Der aktive Verein gewann durch seine Vision und seine Tatkraft schnell viele Unterstützer. Der Senator für Umwelt, Bau, Verkehr und Europa förderte als Schirmherr des Projektes die Sanierung, die swb legte einen Stromanschluss, das Monument ist nachts beleuchtet und am Hermann-Böse-Gymnasium entstanden „kreative Elefanten“, die beim ersten „Festival für Vielfalt“ zu Gunsten des Vereins versteigert wurden. Dazu wurde die Krypta erstmals für die Kunst-Ausstellung D.U.R.S.T. und nachfolgend für eine Bremer Buchpremiere genutzt und so der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

Um den Kontakt zum Thema Kolonialismus am Leben zu halten förderte der Verein die Errichtung eines Mahnmals für die Opfer des Völkermords in Namibia. Das vom Bremen-Afrika-Archiv e.V. initiierte und mit Steinen aus der namibischen Omaheke-Wüste am Waterberg von Thomas Gatter gestaltete Bodenobjekt wurde am 11. August 2009, dem Jahrestag der Schlacht am Waterberg, durch Senator Dr. Reinhard Loske und den Generaldirektor der nationalen Planungskommission Nambia SE Prof. Peter Katjavivi eingeweiht. Zum Festakt führte SE Katjavivi aus: „Wir können Wissen, Erfahrung und Gelerntes hinsichtlich unserer kolonialen Geschichte und ihrer Folgen miteinander teilen. Wir freuen uns, feststellen zu können, dass die Führung der Stadt Bremen dem Gedenken der Opfer des Krieges von 1904-1908 entsprechend Tribut zollt, indem sie dieses Monument errichtet.“ (Seite 71)

Das letzte Kapitel der Geschichte des Bremer Elefanten vom Reichs-Kolonialdenkmal über ein Anti-Kolkonial-Denk-Mal mündet in die Vision von einem „Ort für Vielfalt in Zukunft“, wie ihn die beiden Vereinsvorsitzenden Ralph Saxe und Michael Weisser in einem Konzept entwickeln. Dort heißt es: „Über Vielfalt wird derzeit zumeist ein-fältig geredet. Gezeigte und gelebte Vielfalt bleibt selten, ist oft nur Behauptung. Hier möchte der Verein mit einer Vision ein konkretes, lebendes Zeichen in Bremen setzen.

Die klassischen Tugenden Toleranz und Respekt gewinnen in einer Gesellschaft mit steigender kultureller, religiöser, sozialer und weltanschaulicher Vielfalt zunehmend an Bedeutung.
Qualitäten wie Intuition, Kreativität und Innovation sind nicht mehr die Domäne der Kunst, sie werden essentiell für alle Lebensbereiche. (...) Die Begriffe Vielfalt, Toleranz und Kreativität können im Umfeld des von Bremer Bürgern vom Reichskolonialdenkmal in ein Anti-Kolonial-Denk-Mal umgewidmeten Elefanten-Monuments einen prägnanten Ort und einen symbolhaften Ausdruck finden.“ (Seite 73)

DerElefant! e.V. engagiert sich aktiv, um diesen realen und den parallel dazu virtuellen Ort www.Der-Elefant-Bremen.de zu einem Zeichen für Zukunft in Vielfalt und Gemeinsamkeit werden zu lassen.

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DerElefant!
Bilder-Gedichte-Dokumente
zum Anti-Kolonialdenkmal in Bremen von


Rudolph Bauer - Inge Buck - Michael Weisser

Herausgegeber: "DerElefant!" gemeinütziger Verein für Vielfalt, Toleranz und Kreativität
Konzept und Gestaltung: Michael Weisser

Erschienen im sujet-verlag - www.sujet-verlag.de
Das Projekt wurde großzügig gefördert von der Berenberg Bank Bremen
Ausstattung: 80 Seiten, Farbe, Hardcover, A4
Das Buch ist zu beziehen für 18E über den Buchhandel oder über den sujet-Verlag, Friesenstrasse 9, 28203 Bremen. Tel. 0421-6164088, kontakt@sujet-verlag.de


© DerElefant e.V. Bremen 20010


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